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Rieke, die Giraffe – Eine wahre Geschichte

 

„Papa, warum ist die Giraffe in der Zeitung?“, fragte der kleine Paul. Man schrieb das Jahr 1961 und Paul war sechs Jahre alt. Er konnte noch nicht lesen und sein Papa erklärte ihm, dass die Giraffe Rieke heißen würde. “ Ich erzähle dir mal ihre Geschichte“, sagte er, denn er hatte Rieke noch persönlich kennengelernt.

"Rieke war eine Uganda-Giraffe und wurde vor langer Zeit, ungefähr 1935, im Zoologischen Garten von Berlin geboren. Sie lebte dort mit ihren Eltern und wuchs auf der Anlage eines Antilopenhauses auf. Als 1939 der Zweite Weltkrieg begann, lebte sie mehr als vier Kriegsjahre dort, aber die Futterbeschaffung für die Tiere wurde immer schwieriger. 

Dann begannen 1943 die Luftangriffe. Auch der Zoo blieb davon nicht verschont. Bei einem schweren Bombenangriff im November wurden in nur 15 Minuten sieben Elefanten, ein afrikanisches Nashorn, sechs Raubkatzen und die Hälfte der Antilopen und Hirsche getötet und viele andere verletzt. Auch Riekes Eltern kamen ums Leben. Rieke blieb verschont, bekam aber einen Splitter ins Knie. Doch das war noch nicht das Ende. Anfang Mai 1945, der Krieg war fast schon vorbei, wurde der Berliner Zoo durch Bomben fast völlig zerstört. Von 900 Tieren, die dort noch untergebracht waren, lebten danach nur noch 91 – darunter auch Rieke, die nach Ausheilung ihrer Verletzung 1944 evakuiert wurde. Man brachte sie in den Schönbrunner Tiergarten in Österreich. Dort lebte sie acht Jahre, dann holte man sie wieder zurück nach Berlin. Sie war die einzige Giraffe nach Kriegsende im Berliner Zoo und auch das einzige Tier, das nach einer Evakuierung wieder zurückgebracht wurde. 

Der Zoo war weitgehend wieder hergestellt und die Gittergehege zu großen Freianlagen umgebaut worden. Es lebten wieder Tiere dort.

Aber als man Rieke in ihren alten Stall brachte, wollte sie ihn nicht mehr verlassen. Nach der langen Reise in einer großen engen Kiste war sie verstört. Weder die besten Leckerbissen noch gutes Zureden halfen. Man vermutete auch, dass sie sich an das damalige Bombengetöse erinnert und zu viel Angst hatte. 

Ein Jahr später war sie sehr abgemagert und hustete stark. Sie hatte Tuberkulose bekommen, eine gefährliche Lungenkrankheit. Aber Rieke war stark und erholte sich nach und nach und ein weiteres Jahr später, das war1955, war sie wieder so gesund, dass man ihr einen Partner ins Gehege brachte. Er hieß August Drahtbeen, ein zweijähriger Netzgiraffenbullen, den sie sehr bemutterte.

Doch Rieke erholte sich leider nie vollständig. Ein paar Monate lebte sie noch mit August zusammen, dann starb sie mit 18 Jahren doch noch an den Folgen ihrer Krankheit. Sie hatte ohne Zweifel zu den prominentesten Zootieren gehört.“

Paul hatte seinem Vater aufmerksam zugehört und fand die Geschichte sehr, sehr traurig. „Was ist aus August geworden?“ fragte Paul.

„Man hat ihn in einen anderen Zoo gebracht, in dem er alleine lebte. Unser Tiergarten bekam ein neues Giraffenpärchen, die auch Rieke und August heißen. Wollen wir morgen mal hingehen?“ fragte Pauls Vater.

Gesagt getan! Paul zog sofort zum Giraffengehege und sah Rieke schon von weitem. Sie war sehr zutraulich. Paul wollte sie gerne streicheln, doch er war zu klein. Er nahm einen Stock und kitzelte sie am Hals. Das gefiel ihr.

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